Neben Durchfallerkrankungen sind Erkrankungen der Atemwege die häufigste Ursache für Kälberverluste. Die enzootische Bronchopneumie, auch Rinder- oder Kälbergrippe genannt, spielt dabei die wohl bedeutendste Rolle.

Bei der Kälbergrippe spricht man von einer sogenannten Faktorkrankheit, d.h. es kommt zu einem Zusammenwirken von belebten und unbelebten Faktoren. Zu den belebten Faktoren, den Erregern, zählen unter anderem Viren und Bakterien. Die unbelebten Faktoren sind äußere, stressverursachende Belastungen des Körpers oder der Psyche, wie z.B. Transporte, Umgebungswechsel, schlechtes Stallklima, aber auch eine schlechte Biestmilchversorgung. Die Erreger alleine führen häufi g nicht zur Erkrankung. Sie können also nur dann bedrohlich werden, wenn das Immunsystem des Kalbes vorher schon aufgrund anderer Ursachen geschwächt ist.

Viren gelten als Wegbereiter für die bakteriellen Erreger, Mannheimia haemolytica und Pasteurella multocida. Genau wie die äußeren Einfl üsse schwächen sie auf unterschiedliche Art die Körperabwehr des Kalbes, sodass die Bakterien sich nun ungehindert ausbreiten können.

Die bakteriellen Erreger vermehren sich in den oberen Atemwegen und arbeiten sich im Verlauf der Krankheit in die unteren Atemwege bis in die Lungenbläschen vor. Zudem setzen sie einen Stoff frei, der die Leukozyten in der Lunge schädigt. Nun kommt es zu Krankheitssymptomen, die sich abhängig von der Krankheitsdauer verstärken. Die Sekundärerkrankung durch Pasteurella multocida ist in der Regel weniger stark ausgeprägt, als eine Erkrankung durch Mannheimia haemolytica.

• Akute Erkrankung: wässriger Nasenausfluss, Husten, Fieber, schnelle Atmung
• Subakute Erkrankung: anhaltendes Fieber, Appetitlosigkeit, Abgeschlagenheit, zunehmende Atemnot
• Chronische Erkrankung: Kümmern, Atemnot durch Verdichtung des Lungengewebes, Atemgeräusche (sog. musicbox)

Geht die Erkrankung über den akuten Status hinaus, sind die Heilungschancen schlecht bis aussichtslos. Das Lungengewebe ist dann meist schon beeinträchtigt oder vernarbt. Überlebt das Kalb die Erkrankung in einem solchen Status, bleibt es meist zeitlebens in seiner Entwicklung eingeschränkt. Wichtig ist also eine sofortige Behandlung bereits bei den ersten Anzeichen einer Enzootischen Bronchopneumie. Auch sollte die Behandlung ausreichend lange, einige Tage über die vermeintliche Genesung hinaus, durchgeführt werden.

Bei der Kälbergrippe handelt es sich um ein äußerst komplexes Krankheitsbild, bei dem neben den auslösenden Erregern auch das Aufzuchtmanagement und die Stallhygiene eine bedeutende Rolle spielt. Um die unbelebten Faktoren zu reduzieren sollten folgende Dinge beachtet werden:

• Ausreichende Versorgung mit hochwertigem Kolostrum um die körpereigene Abwehr des Kalbes bestmöglich zu beeinflussen.
• Optimierung des Stallklimas in Bezug auf Luftfeuchtigkeit, Luftraum pro Tier, Schadgasgehalt und Temperatur.
• Reduzierung von Stressfaktoren bei zugekauften Kälbern, die durch das sog. Crowding (auf Sammelstellen und Transportern) enorm vielen Einflüssen ausgesetzt sind.
• Optimierung der Fütterung sowie schonendes Absetzen und behutsame Futterumstellungen.
• Nestbau im Kälberiglu, bei reichlich frischem Stroh, reduziert das Vorkommen von Atemwegserkrankungen um bis zu 20%.